Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich interessiere mich für verschiedene Unterrichtsformen und neue Ansätze und hatte vor einiger Zeit die Möglichkeit, an der Musikschule in Dübendorf an einem Mittwochnachmittag eine Hospitation zum Thema Simultanunterricht zu erleben. In dieser zweistündigen Beobachtung konnte ich eine Momentaufnahme dieser Unterrichtsform gewinnen und einen ersten Einblick in die Abläufe und Strukturen erhalten. Zusätzlich bin ich ich auf einige Artikel zu diesem Thema gestossen möchte euch in diesem Beitrag meine Eindrücke schildern.
Was ist Simultanunterricht?
Im Simultanunterricht werden mehrere SuS gleichzeitig von einer Lehrperson betreut. Dabei geht es nicht zwingend um Gruppenunterricht im klassischen Sinne, sondern vielmehr um einen Unterricht, der in individuellen Phasen abläuft. Während beispielsweise SuS A mit der Lehrkraft an einer schwierigen Stelle eines Stücks arbeitet, übt SuS B parallel in einem separaten Raum selbstständig und bereitet sich auf eine anschliessende Feedbackrunde vor. Diese Form des Unterrichts ermöglicht es, Übezeit und Unterrichtszeit flexibel zu kombinieren.
Mögliche Vorteile
Effiziente Nutzung der Unterrichtszeit
Die SuS profitieren davon, dass sich die reine Unterrichtszeit durch selbstständige Übungsphasen erweitert. Ein Modell könnte beispielsweise 30 Minuten angeleiteten Unterricht und 30 Minuten eigenständiges Üben umfassen.
In Dübendorf dürfen die SuS sogar bis zu 90 Minuten bleiben, bezahlen aber nur für 30 Minuten Unterricht.
Selbstständigkeit und Eigenverantwortung
Simultanunterricht fördert die Fähigkeit der SuS, ihre Übephasen selbst zu strukturieren und ihre Fortschritte zu reflektieren. Langfristig soll diese Form des Lernens helfen, Hürden eigenständig anzugehen.
Während meiner Hospitation konnten die SuS selbst bestimmen, an welcher Stelle und zu welchem Thema sie arbeiten wollten. Zudem kamen sie nach dem eigenständigen Üben selbstständig in den Unterrichtsraum zurück, um sich Feedback oder Hilfe bei der Lehrperson zu holen.
Flexibilität
Simultanunterricht kann flexibel gestaltet werden, was sowohl den SuS als auch der Lehrkraft zugutekommen kann. Unterschiedliche Lern- und Übezeiten lassen sich individuell anpassen.
Sozialer Austausch
Bei Gruppenübungen können die SuS voneinander lernen, sei es durch gegenseitiges Feedback oder gemeinsames Musizieren. Gerade in heterogenen Gruppen bietet dies die Möglichkeit, verschiedene Kompetenzen zu fördern.
Ein schönes Beispiel dafür konnte ich live miterleben: Eine SuS gab nach einem Vorspiel direktes Feedback an eine andere SuS.
Direkte Rückmeldung
Fehler und Schwierigkeiten können unmittelbar erkannt und korrigiert werden. Dadurch wird verhindert, dass sich falsche Spielweisen festigen.
Besonders positiv fiel mir auf, dass direkt überprüft werden konnte, ob die zuvor besprochenen Übestellen verstanden wurden und korrekt umgesetzt werden.
Mögliche Herausforderungen und Nachteile
Überforderung durch Multitasking
Für die Lehrkraft kann es herausfordernd sein, den Überblick zu behalten und allen SuS gerecht zu werden. Auch SuS könnten durch die Vielzahl gleichzeitiger Aufgaben überfordert sein.
Mein Eindruck war, dass die Kadenz im Unterricht sehr hoch war und die Lehrperson kaum Gelegenheit hatte, das Tempo bewusst zu drosseln. Simultanunterricht ist daher möglicherweise nicht für alle Lehrkräfte und SuS gleichermassen geeignet.
Selbstständigkeit als Voraussetzung
Nicht alle SuS sind sofort in der Lage, eigenständig zu üben. Gerade jüngere Kinder oder Anfänger:innen benötigen oft mehr Anleitung und Unterstützung.
Hier könnte es hilfreich sein, die Eltern stärker in den Prozess einzubinden. In Dübendorf habe ich beobachtet, dass eine junge SuS von ihrer Mutter begleitet wurde, die das Feedback der Lehrkraft gemeinsam mit ihr in der Übephase umsetzte. Dies könnte eine Brücke zum Teamteaching schlagen – ein Thema, das ich gerne in einem späteren Blogbeitrag vertiefen werde.
Logistische Anforderungen
Simultanunterricht erfordert oft mehrere Räume sowie eine gute Organisation und die Bereitschaft, flexibel auf unterschiedliche Situationen zu reagieren.
Ungleiche Verteilung der Aufmerksamkeit
Es besteht die Gefahr, dass manche SuS weniger Aufmerksamkeit erhalten, wenn andere gerade intensiver betreut werden müssen.
Koordination, Aufmerksamkeit und gutes Zeitmanagement sind hier entscheidende Faktoren für den Erfolg dieser Methode.
Erhöhter Planungsaufwand für Lehrkräfte
Die Vorbereitung von Materialien, die Strukturierung klarer Übeaufgaben und das Durchdenken von Abläufen erfordern Zeit und Aufwand. Besonders zu Beginn kann der Einstieg in diese Unterrichtsform eine Herausforderung darstellen.
Fazit
Simultanunterricht kann spannende Möglichkeiten eröffnen, den Instrumentalunterricht flexibler und abwechslungsreicher zu gestalten. Er ist eine Methode unter vielen und bietet eine neue Perspektive darauf, wie Unterricht strukturiert werden kann. Besonders interessant finde ich den Aspekt, dass durch diese Form der Unterrichtsgestaltung nicht nur Unterrichts- und Übezeit verschmelzen, sondern auch die Eigenverantwortung der SuS stärker gefördert wird. Der Unterrichtsraum wird so nicht nur zu einem Ort der Wissensvermittlung, sondern auch zu einer Begegnungsstätte und einer kreativen Spielwiese.
Natürlich bringt dieses Modell auch Herausforderungen mit sich. Eine sorgfältige Planung ist essenziell, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten gleichermassen profitieren. Wie bei jeder Methode sollte individuell entschieden werden, ob sie für die eigene Unterrichtspraxis und die jeweiligen SuS geeignet ist.
Ich sehe Simultanunterricht als ein weiteres Werkzeug im didaktischen Repertoire, das – gezielt eingesetzt – den Unterricht bereichern kann.
Weiterführende Artikel:
https://musik-tanz-trossingen.de/ueber-uns/unsere-vorteile/musizierlernhaus/uebebegleitung/
Autor:
Michel Barengo
www.michelbarengo.com